Wie oft kann man beim Lesen weinen, bevor es als Wasserverschwendung zählt?

Hier auf dem Blog wird es hin und wieder auch Buchrezensionen geben. Ich liebe Geschichten – egal ob in Form von Romanen oder Sachbüchern – und weil sich mein Leben nun mal um Magie, Astrologie und Mystik dreht, werde ich genau in diesen Bereichen nach den spannendsten Büchern suchen. Das bedeutet: Rezensionen zu Romanen, die Hexerei, Astrologie oder andere magische Elemente aufgreifen, sowie zu Sachbüchern, die sich mit diesen Themen beschäftigen.

Den Auftakt macht Legendborn von Tracy Deonn – ein Buch, das mich nicht nur gepackt, sondern auch emotional in den Abgrund gestoßen hat.

Legendborn von Tracy Deonn

Es gibt Bücher, die liest man. Und dann gibt es Bücher, die finden einen. „Legendborn“ von Tracy Deonn ist für mich so ein Buch – es hat mich nicht einfach unterhalten, sondern regelrecht durchleuchtet, aufgewühlt und tief in meinen Gedanken nachgehallt.

Eine Heldin, die sich ihren Platz nimmt

Bree Matthews, 16 Jahre alt, schwarz, clever, wütend. Sie will nur eines: dem Schmerz über den Tod ihrer Mutter entkommen. Doch als sie in einem Frühstudienprogramm an einer Elite-Uni in North Carolina landet, stolpert sie in eine geheime Gesellschaft, die sich auf die legendäre Tafelrunde von König Artus beruft – und plötzlich steht sie zwischen uralter Magie, Machtspielen und einer Geschichte, die nicht für sie geschrieben wurde. Oder doch?

Mehr als nur Magie: Ein Kampf um Geschichte

Auf den ersten Blick klingt das nach klassischer Urban Fantasy: alte Mythen, magische Kämpfe, düstere Geheimbünde. Doch „Legendborn“ erzählt weit mehr als das. Es ist ein Buch über Trauer, über Identität und über die Frage, wer eigentlich das Recht hat, Geschichte zu schreiben – und wer in ihr unsichtbar gemacht wird.

Hier prallen zwei Magie-Traditionen aufeinander: die der Legendborn, die ihre Kräfte über Blutlinien weitervererben, und eine tief in der afrikanischen Diaspora verwurzelte Magie, die nicht einfach genommen, sondern nur mit Respekt empfangen werden kann. Es geht um Kontrolle, Erbe, Besitzansprüche. Um die Frage: Wem gehört die Magie? Wem gehört die Macht?

Schmerz, Wut und ungefilterte Emotionen

Tracy Deonn packt ihre Leser*innen direkt bei den Gefühlen. Besonders Brees Trauer ist so greifbar, dass sie weh tut. Kein plötzlicher, dramatischer Schockmoment – sondern ein langsames, quälendes Begreifen. Die Sprache trifft ins Mark. „They are past-tensing my heart.“ – Dieser Satz allein ist ein Stich ins Herz für alle, die jemals einen geliebten Menschen verloren haben.

Doch was „Legendborn“ wirklich besonders macht: Bree darf nicht nur traurig sein. Sie ist auch wütend. Wütend über ihre Mutter, über ein System, das sie klein halten will, über die Geheimnisse, die ihr verwehrt wurden. Und genau diese Wut macht sie stark.

Charaktere, die leben (und anecken)

Bree ist keine Heldin, die es allen recht machen will. Sie hinterfragt, sie lehnt sich auf, sie vertraut den falschen Menschen – sie ist radikal menschlich. Und das macht sie verdammt echt.

Dann wäre da Selwyn Kane. Der klassische „grummelige, aber mächtige Magier“-Typ, den ich normalerweise hasse. Aber hier? Hier funktioniert er. Vielleicht, weil seine Arroganz nicht nur Show ist, sondern Überlebensstrategie.

Und Nick? Der goldene Junge, der Bree in die Welt der Legendborn einführt? Man könnte eine klassische Romanze erwarten – doch „Legendborn“ spielt geschickt mit diesen Erwartungen. Hier ist nichts so einfach, wie es scheint.

Schreibstil: Poetisch, aber direkt

Deonn schreibt kraftvoll, atmosphärisch und mit einer Präzision, die mitten ins Herz trifft. Ihre Worte haben Gewicht, ihre Dialoge knistern. Besonders beeindruckend: Wie sie mit Sprache zeigt, dass Magie nicht nur eine Fähigkeit, sondern auch ein gesellschaftliches Machtinstrument ist.

Ein Satz, der mir besonders im Kopf geblieben ist: „Don’t make your life about the loss. Make it about the love.“ Ein Leitsatz – nicht nur für Bree, sondern für alle, die schon einmal mit Trauer gerungen haben.

Vergleich: Wo steht „Legendborn“ neben anderen Fantasy-Romanen?

Wer „Children of Blood & Bone“ mochte, wird hier thematisch ähnliche Elemente finden – Magie, Identität, Unterdrückung. Aber während Tomi Adeyemis Roman epische Fantasy in einer eigenen Welt erzählt, bleibt „Legendborn“ fest in unserer Realität verankert und zeigt, wie Vergangenheit und Gegenwart miteinander verwoben sind.

Und für alle, die „Shadowhunters“ mochten: Ja, hier gibt es Geheimgesellschaften, uralte Blutlinien und verborgene Mächte. Aber „Legendborn“ spielt in einer ganz anderen Liga. Wo Cassandra Clares Welt oft wie eine hochglanzpolierte Fanfiction wirkt, hat Deonns Universum eine Tiefe, die nachhallt.

Fazit: Muss man das lesen?

Ja. Unbedingt.

„Legendborn“ ist kein Buch, das man nebenbei wegliest. Es fordert, es rüttelt auf, es trifft ins Herz und in den Verstand zugleich. Es ist Fantasy, die mehr will als nur zu unterhalten – und genau deshalb bleibt sie.

Ich bin gerade mitten in der Reihe (aktuell bei „Oathbound“), aber eines weiß ich jetzt schon: Manche Bücher liest man nicht nur einmal. Manche Bücher lassen einen nicht mehr los.

Für wen ist dieses Buch?

✔ Für alle, die Urban Fantasy mit Tiefgang suchen
✔ Für Leser*innen, die Charaktere lieben, die kämpfen – mit Magie, mit sich selbst, mit der Welt
✔ Für alle, die bereit sind, sich auf eine emotionale Achterbahnfahrt einzulassen

Triggerwarnungen: Tod eines Elternteils, Trauer, Rassismus, Anspielungen auf sexuelle Gewalt.

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